Erinnerung lebendig halten, Verantwortung übernehmen. Unter diesem Motto recherchierten Schülerinnen und Schüler der 11. Jahrgangsstufe im Projekt-Seminar „Stolpersteine digital“ in diesem Schuljahr das Leben, Wirken und Schicksal von jüdischen Kemptener Familien. 
Die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Kempten lebten, hatten meist ihre eigenen Geschäfte, waren sozial integriert und hatten hier Freunde, Bekannte und Nachbarn. „Ihr Leben änderte sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 und ihren repressiven Maßnahmen gegenüber den jüdischen Bürgern, die mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938 auch in Kempten sichtbar in die systematische Verfolgung überging“, heißt es auf der Homepage (https://erinnerungskultur-kempten.de). Den zu Unrecht verfolgten Menschen ein Gesicht geben, Erinnerung auf Augenhöhe schaffen, darum ging es dem P-Seminar unter der Leitung von Corinna Weber. Eng begleitet wurde das Seminar von Ralf Lienert, Allgäuer Zeitung, der sich jede Woche die Zeit genommen hat, und die Schülerinnen und Schüler begleitet hat. Ihm ist auch der Kontakt zu zahlreichen anderen externen Partnern zu verdanken, ohne die das Projekt so hätte nicht stattfinden können. 
 
„Mit unserem Projekt möchten wir zu den bereits vorhandenen Stolpersteinen in Kempten, die durch die Initiative Stolpersteine in Kempten und Umgebung e.V. (https://www.stolpersteine-kempten.de) seit 2010 in Kempten verlegt wurden und werden, Plexiglasscheiben hinzufügen“, sagen die Schülerinnen und Schüler. Bürgerinnen und Bürger, Besucherinnen und Besucher der Stadt Kempten können künftig an neun Stellen, an denen Stolpersteine verlegt sind, mehr über das Leben der jüdischen Holocaust-Opfer erfahren. 

Die Inhalte der Website entstanden im Rahmen des Projekts nach intensiver Recherche durch die einzelnen Arbeitsgruppen und dem Austausch mit dem Stadtarchiv Kempten. Das Projekt wurde zudem durch Kooperationen mit dem Netzwerk Jüdisches Schwaben und der Universität Augsburg wissenschaftlich begleitet. Durch die Möglichkeit, den Holocaust-Überlebenden Abba Naor im Zeitzeugengespräch zu treffen und mit Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ein persönliches Gespräch zu führen, erhielten die Schülerinnen und Schüler wertvolle Impulse zur Gestaltung des Gedenkens in Kempten. Vermittelt wurde dies durch den Landtagsvizepräsidenten, Alexander Hold, sowie die Bundestagsabgeordnete Mechthilde Wittmann. 

Unsere Schülerinnen und Schüler wurden unterstützt von den Hausbesitzern und der Stadt Kempten, um an einzelnen Häusern Gedenktafeln anbringen zu dürfen. Chris Seitz vom Digitallabor des Stadtjugendrings Kempten zeigte den Lernenden, wie man eine Homepage programmiert, Bilder, Texte und Stammbäume hochlädt und Seiten gestaltet. Flankiert wurde die Arbeit von Uta Löhrer von der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildung sowie von Dr. Ingvild Richardsen von der Universität Augsburg.
 
Unsere Demokratie lebt dann weiter, wenn junge Menschen in einer Gesellschaft Verantwortung übernehmen, indem sie Erinnerungskultur weitertragen, modernisieren, allen zugänglich machen. „Ihr gebt den Opfern die Würde zurück, die ihnen auf furchtbarste Weise genommen worden ist“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kiechle bei der Vorstellung der Gedenktafeln am 1. Juli zu den Schülerinnen und Schülern, „ihr gebt ihnen ein Gesicht und haltet somit durch moderne Technik das Andenken lebendig.“

Claudia Scharnetzky