„Die nisten sich hier ein wie Parasiten, leben von unserem Geld,
schleppen Krankheitserreger ins Land, sind unverschämt,
belästigen unsere Frauen und haben mehr Luxus, als wir uns leisten können!
Die sollen einfach bleiben, wo sie sind!“

In Zeiten der ungelösten Asylproblematik sind derartige Kommentare in sozialen Netzwerken häufig zu finden. Am vergangenen Mittwoch diente ein Facebook - Screenshot obiger Originaldiskussion als Einstieg für einen Flüchtlingsvortrag, der von Frau Annalisa Drösemeier in ihrem Englisch-Oberstufenkurs organisiert wurde.
Der nigerianische Asylbewerber Daniel, der seit November mit seiner jungen Familie auf dem Schulgelände wohnt und vielen Schülern vom Aushelfen an der Mittagstheke her bekannt ist, erzählte den Schülern über die Hintergründe seiner Odyssee. Anhand einer vorbereiteten Powerpoint-Präsentation beschreibt Daniel die Schreckensherrschaft der jihadistischen Terrororganisation Boko Harram, die vor allem auf Schulen und Universitäten Bombenanschläge verübt, um die aufkommende Bildungselite auszumerzen und für das Verschwinden zahlloser junger Mädchen auf offener Straße verantwortlich ist, die „auf Geheiß Allahs hin“ an die Mitglieder des Terrornetzwerks verkauft werden. Er erzählt von seiner lebensgefährlichen Flucht von Nigeria über Niger und Libyen durch die Sahara, während derer die Schlepperbanden sie um immer höhere Geldsummen erpressten unter der Androhung, die Flüchtlinge andernfalls ohne Wasser und Nahrung in der Wüste zurückzulassen. Er berichtet tapfer, wie ihm nach dieser finanziellen Ausbeutung nichts anderes übrig blieb, als zwei Jahre in Libyen zu arbeiten und ihm das angesparte Fluchtgeld im Chaos der Gaddaffi-Revolten zwei Mal geraubt wurde. Er endet mit der unvorstellbaren Mittelmeer-Überfahrt nach Lampedusa, während derer er und seine mittlerweile hochschwangere Frau drei Tage und Nächte ohne Essen und Trinken zu Hunderten zusammengepfercht beteten, nicht wie all die anderen Flüchtlinge kurz vor dem Ziel zu ertrinken.
Der US-Psychologe Gordon Allport entwickelte 1954 die mehrfach wissenschaftlich bestätigte „Kontakthypothese“: Kontakt zu Fremden reduziert die Vorurteile ihnen gegenüber sofort und nachhaltig. Auch eine junge Journalistin der Süddeutschen Zeitung gelangte letzte Woche nach ihrer Recherchearbeit in deutschen Flüchtlingsunterkünften zu der Einsicht: „Ich bin mit schuld an verfehlter Asylpolitik, weil ich ein Teil der schweigenden, desinteressierten Masse bin. Doch nun sind Vertreibung, Gewalt und Armt für mich zur Geschichte eines Menschen geworden.“ Aufklärungsveranstaltungen über die Situation der Asylbewerber sollten unseren Schülern aus diesen Gründen nicht vorenthalten werden. Und Daniel, der mittlerweile auf der Suche nach einem Zweitjob ist, weil er gerne in unserem Land arbeiten würde, wiederholt seine Existenzängste in den persönlichen Gesprächen mit den Schülern immer wieder: „I just don’t want to be sent back to Nigeria.“

#rethinkasylumseekers
#saynotoracism

 

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